Eine Schwei­zer Legende

Selina Weidmann

Schon die Tatsa­che, dass wir hier über eine Spiele­rin berich­ten, die niemals das Trikot des SV Leonberg/Eltingen getra­gen hat, zeigt, wie beson­ders diese Athle­tin ist. Im Juni 2013 nahm die weibli­che B‑Jugend des Schwei­zer Vereins HSC Kreuz­lin­gen an einem Turnier bei uns teil. Als der Bus ankam und sich die Türen öffne­ten, war sie die Erste, die ausstieg – und schon ihr freund­li­ches, offenes Wesen beein­druckte uns sofort. Doch nicht nur persön­lich, sondern auch sport­lich ließ sie an den folgen­den Turnier­ta­gen aufhor­chen. In Gesprä­chen während des Turniers formu­lierte sie klar ihr Ziel: eines Tages in der höchs­ten Schwei­zer Liga mit dem HSC Kreuz­lin­gen zu spielen. Diese Entschlos­sen­heit blieb den Leonber­ger Handbal­lern nicht verbor­gen, und es stellte sich rasch die Frage, wie wir sie auf ihrem Weg unter­stüt­zen könnten. Die Antwort war ein fünftä­gi­ges Trainings­camp, in dem sie wertvolle Eindrü­cke und Anregun­gen aus dem Leistungs­sport mitnahm. Selina hat es nicht nur geschafft, mit ihrem Team in die 1. Schwei­zer Liga aufzu­stei­gen, sondern im Oktober 2022 auch auf europäi­scher Bühne zu glänzen. Eine beein­dru­ckende Reise, die wir mit Freude verfolgt haben.

Facts:
Name: Selina Weidmann
Jahrgang: 1995
Größe: 170cm
Position: Rückraum Links

Statio­nen:
HSC Kreuz­lin­gen

Wir haben für Selina und ihre Mannschafts­kol­le­gin Kira Klein 5 Trainings­tage inklu­sive Übernach­tung und Besuch eines Bundes­li­ga­spiels organ­si­s­iert. Unter anderem trainier­ten sie mit der Bundes­li­ga­spie­le­rin Shenia Franz (geb. Minevs­kaja), der DHB Traine­rin Marielle Bohm, dem Herren-Trainer Frank Ziehfreund sowie der Physio­the­ra­peu­tin Birgit Halsband. Bereits damals an ihrer und unserer Seite war Achim Weiß und sein Team vom ProVitess.

Vereins­treue par excel­lence. Selina hat von frühes­ter Kindheit an für “Ihren” HSC gespielt. Die unfass­bare Leiden­schaft für den Handball waren bei ihr auch immer gepaart mit einer kompro­miss­lo­sen Art auf dem Feld. Unzäh­lige große und kleine Verlet­zun­gen haben sie aber niemals abhal­ten können, stärker zurück­zu­keh­ren und ihren (Handball-) Traum zu leben. 2023 war nach über 150 Spielen in der Spar Premium League Schluss.

DREI FRAGEN

Es ist ja eher ungewöhn­lich, dass eine Spiele­rin über eine so große Distanz damals zum Training nach Leonberg einge­la­den wurde? Welche Erinne­run­gen hast du noch an die Zeit und wie war das für Dich?

Es war für mich eine Ehre, dass ich die Chance bekom­men habe ein Trainings­la­ger in Leonberg zu besuchen, welches auch indivi­du­ell für uns erstellt wurde. Ich fand die verschie­de­nen Trainings sehr eindrück­lich und lehrreich. Ich weiß noch genau, dass ich nicht ganz alleine kommen wollte ( da war ich noch jung und etwas schüch­tern ) und war froh darüber, dass mich eine Mitspie­le­rin beglei­ten durfte und wir diese 5 Tage gemein­sam dort erleben konnten. Ich fühlte mich von Anfang an sehr wohl und gut aufge­ho­ben. Alles war sehr familiär und Stefan hat sich um alles geküm­mert. Uns hat es an nichts gefehlt. Das Training mit Shenia war ein sehr beson­de­rer Moment für mich. Ich bin sehr dankbar darüber, dass Stefan mir all dies ermög­licht hat. Er hat von Anfang an immer an mich geglaubt und mich auch bis zu meinem Karrie­re­ende trotz der Entfer­nung bei allem unterstützt.

Du hast 2023 Deine Karriere beendet. Wie waren die letzten Minuten auf dem Feld für Dich?

Dieser Moment kann ich nur schwer in Worte fassen. Ich habe versucht mich nochmals 100% auf das Spiel zu fokus­sie­ren und alles was anschlie­ßend kommt auszu­blen­den. Ich weiß noch genau als der Schluss­pfiff ertönte und ich in Tränen ausge­bro­chen bin. Für mich war dieser Moment immer sehr weit weg und als es dann entgül­tig soweit war, überroll­ten mich meine Gefühle und mir wurde klar, dass dies das Ende meiner Handball­kar­riere war. Ich bin unglaub­lich dankbar, dass ich bei Kreuz­lin­gen über 21 Jahre hinweg zu einer wichti­gen Spiele­rin heran­wach­sen konnte und blicke auf eine wunder­schöne und wertvolle Zeit zurück. Handball wird immer ein wichti­ger Bestand­teil meines Lebens bleiben!

Eine so lange und erfolg­rei­che Karriere lässt sich nur schwer auf einen Moment oder eine Situa­tion reduzie­ren. Aber nimm uns mal mit in den schöns­ten, lustigs­ten oder auch ungewöhn­lichs­ten Moment.

Es gab in meinen 21 Handball-Jahren einige tolle prägende Momente für mich. Das schönste war, dass ich in „meinem“ Verein von der 2. Liga bis hin zu der SPL 1 (Nati A) alle Aufstiege miter­le­ben durfte. Natür­lich war der Aufstieg in die höchste Liga der Schweiz ein unver­gess­li­cher Momet für mich. Auch die erstma­lige Quali­fi­zie­rung für den EHF-Cup mit dem Verein war ein sehr beson­de­rer Moment. Natür­lich kamen in meiner Karriere auch einige Tiefpunkte dazu, die mich aber immer noch stärker gemacht haben. Dazu gehören unzäh­lige Verlet­zun­gen und die damit teils über Monate hinweg verbun­de­nen Rehapha­sen bis zum Wieder­ein­stieg in den Wettkampf. Auch als wir nach zwei Saisons in der höchs­ten Liga wieder in die zweit­höchste Liga abgestie­gen sind und in der darauf­fol­gen­den Saison direkt der Wieder­auf­stieg in die höchste Liga geschafft haben war ein unver­gess­li­cher Moment.

Ich durfte Selina über 13 Jahre als Traine­rin und eine kurze Zeit auch als Mitspie­le­rin beglei­ten. Selina war eine Athle­tin, die sich jede/r Trainer/in wünscht. Sie war zuver­läs­sig, fleis­sig, ehrgei­zig und ausser­or­dent­lich kolle­gial. Während den Jahren, in denen ich sie beglei­ten durfte, hat sie eine enorme Entwick­lung gemacht und sich von einer guten Jugend­spie­le­rin zu einer sehr guten SPL 1 Spiele­rin entwi­ckelt. Sie hat fast keine Trainings­ein­heit verpasst und hat sich immer in den Dienst der Mannschaft gestellt. Ihr 1:1 im Angriff war in der ganzen Liga gefürch­tet, aber auch in der Abwehr konnte sie ordent­lich zupacken. Sie war über all die Jahre dem HSC Kreuz­lin­gen loyal gegen­über und hat sich trotz mehre­rer Angebote, immer entschie­den, dem HSC Kreuz­lin­gen treu zu bleiben. Seit sie aufge­hört hat, fehlt sie uns als Mitspie­le­rin, Captain, Mensch und Athle­tin. Es war mir eine grosse Ehre Selina auf ihrem Weg beglei­ten zu dürfen.
Kristina Ertl-Hug, Traine­rin & Sport­che­fin HSC Kreuz­lin­gen

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